LINDEN LAB IM VARIETY JOURNAL
Am 23. Juli ist auf der
Seite des Variety ein längerer Bericht über Linden Lab und Sansar erschienen.
Es gibt zwar kaum neue technische Infos, aber ein paar zusätzliche Angaben über
die generelle Philosophie hinter Sansar.
Laut Wikipedia ist Variety
(englisch für ‚Vielfalt‘) ein wöchentlich erscheinendes Branchenblatt der
Unterhaltungsindustrie. Seit 2012 wird die Zeitschrift von der Penske Media
Corporation (PMC) herausgegeben. Variety erscheint seit 1905 und ist heute ein einflussreiches
Begleitmedium der amerikanischen Populärkultur. Seit 1933 erscheint zusätzlich
die Daily Variety mit aktuellen Nachrichten aus dem Showbusiness. Die
Zeitschrift wird in 84 Länder ausgeliefert. Das Internetangebot Variety.com
bietet seit 1998 zusätzlich durchsuchbare Archive, Informationen über
internationale Kassenschlager, Übersichten über Film- und Fernsehproduktionen.
Die Überschrift zum Linden
Lab Artikel lautet "Second Life Maker Linden Lab Wants to Build the
WordPress of Virtual Reality", was ich so übersetzen würde: "Second
Life Schöpfer Linden Lab will das WordPress der Virtuellen Realität
erschaffen". Wer es nicht weiß: WordPress ist der Marktführer für
Bloganwendungen im Web. Die Anwendung ist in der Grundvariante kostenlos und
bietet die Möglichkeit für einen Einsatz als Content-Management-System.
Der Artikel im Variety
kommt von Silicon Valley Journalist Janko Roettgers, der Ebbe Altberg wohl bei
einem Interview befragt hat. Zu Beginn wird kurz erwähnt, dass LL mit Second
Life schon einen großen Erfolg in der Vergangenheit hatte. Ebbe sagt dann dazu,
dass SL auf der Hobby-Ebene das Maximum erreicht habe. Mit Sansar will man aber
wesentlich mehr erreichen und die Plattform soll auch für den zukünftigen
Gesamterfolg von Virtual Reality eine wichtige Rolle spielen.
Dann spricht Ebbe davon,
dass man in Sansar die Dinge besser machen will, die bei SL ein weiteres
Wachstum verhindert haben. Hauptpunkt dabei sind die Landpreise, die in Sansar
wesentlich niedriger sein sollen. Dafür soll es dann höhere Gebühren auf den
Handel mit virtuellen Gütern geben.
Dann geht es um das Thema,
wie viele Nutzer sich gleichzeitig auf einer Region (oder in Sansar in einer
Experience) aufhalten können. In SL sind das 70 bis 100, was für größere
Veranstaltungen viel zu wenig ist. In Sansar will man das mit unbegrenzten,
parallel laufenden Instanzen der gleichen Region auf Tausende von Nutzern
anheben. Das Ganze nennt sich "Instancing". Im Bereich von
3D-Computerspielen bzw. virtuellen Welten gibt es zwei unterschiedliche
Definitionen von Instancing.
Das Instancing mit den
parallel laufenden Regionen funktioniert so, dass beim Erreichen des
Avatarlimits einfach eine Kopie dieser Region gestartet wird, auf der sich dann
wieder die gleiche Anzahl von Avataren aufhalten kann. Die Avatare auf Region A
können die Avatare auf Region B nicht sehen und umgekehrt. Es ist aber möglich,
dass z.B. eine Bühne mit Musikern als Grundelemente von Region A mitkopiert
werden, wenn das Limit erreicht ist. Damit wären sie in jeder Instanz für alle
sichtbar. Und so könnte man dann beliebig viele Instanzen der gleichen Region
mit beliebig vielen Avataren gleichzeitig laufen lassen.
Das andere Instancing im
Bereich von 3D-Spielen bezieht sich auf das Zusammenfassen gleicher oder
ähnlicher Geometrien von 3D-Objekten. Sind solche Objekte mehrfach auf einer
Region (in einer Experience) vorhanden, müssen sie mit dieser Technik nur
einmal heruntergeladen und gerendert werden. Das spart Ladezeiten, Rechenzeiten
und Speicherplatz. Ein Beispiel wäre ein Wald mit selbstähnlichen Bäumen. In SL
werden sie so oft gerezzt, wie man sie benötigt. Bei Instancing würde man einen
Baum rezzen und in den Parametern eingeben, wie oft er mit welchen Abständen
(inkl. Rotation) in welche Richtungen vervielfältigt werden soll. Ich hoffe,
auch dieses Instancing wird in Sansar unterstützt.
Im letzten Teil des
Artikels geht es dann um die Philosophie von Sansar. Second Life war und ist
immer als eine einzige, große Welt gedacht gewesen. Sansar kann dagegen alles
sein. Laut dem Artikel ist Sansar eben keine Welt, sondern eine Technologie,
die es Nutzern gestattet, individuelle Erlebnisse zu erstellen. So könnte zum
Beispiel auch eine Firma einen einzigen VR-Raum gestalten, in dem
ausschließlich ihr Produkt mit Hilfe einer VR-Brille in 3D "erlebt"
werden kann. Zum Beispiel: Wie fühlt es sich an, wenn man im neuen BMW Gran
Tourer hinterm Lenkrad sitzt. Dazu könnte BMW dann einen Direktlink von ihrer
Homepage in ihren VR-Raum anbieten, ohne dass sich der Anwender vorher um einen
Account, einen Avatar oder sonst was kümmern muss. Der Kunde von BMW würde mit
dem Rest von Sansar nicht in Berührung kommen und kein anderer Nutzer in Sansar
würde mitbekommen, dass sich da gerade jemand von der BMW-Homepage irgendwo
eingeloggt hat.
Ich muss sagen, dass ich
mir Sansar so bisher auch nicht vor Augen geführt habe. Aber wenn man nun
wieder den eingangs erwähnten WordPress-Vergleich heranzieht, wird die Absicht
von Linden Lab eigentlich klar. Denn Firmen haben in SL, außer in der
Hype-Phase, keine große Rolle gespielt. Wenn Sansar aber im VR-Sektor wirklich
erfolgreich sein will, können sie diesen Bereich potentieller und finanzstarker
Kunden nicht außer Acht lassen. Diese abgeschotteten VR-Räume könnten genau das
sein, was kundenorientierte Firmen in Zukunft als Mehrwert anbieten werden. Und
in solchen Umgebungen ist es dann auch eher unwahrscheinlich, dass ein Griefer
mit Penis-Partikelpoofer auftaucht und die Kundschaft vergrault (so wie in SL).
Als unterstützte Software
für Ersteller solcher VR-Räume, wird dann im Artikel nicht nur Maya genannt,
sondern auch Blender, Sketchup und weitere. Die offene Beta von Sansar soll
dann etwa genau zu der Zeit starten, in der auch die Oculus Rift auf den Markt
kommt. Der Autor des Variety-Artikels ist der Ansicht, dass der Erfolg von
Sansar eng mit dem Erfolg von VR-Brillen verbunden ist. Und von der
Bereitschaft der Firmen, bei der Erstellung ihrer VR-Räume die Regeln und
Richtlinien von Linden Lab zu akzeptieren. Auf der anderen Seite könnte aber
eine zu starke Präsenz von Firmen in Sansar auch dazu führen, dass weniger
private Nutzer daran teilnehmen werden, da sie sich nicht von Firmen dominieren
lassen wollen. Allerdings können beide bei völlig voneinander getrennten
Umgebungen auch ohne Berührungspunkte koexistieren. Läuft alles so wie es sich
LL vorstellt, wird Sansar von Konsumenten, Entwicklern und Firmen in gleichem
Maße genutzt werden.
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