BDSM & FEMINISMUS: WARUM SICH DAS NICHT AUSSCHLIESST (Verfasserin kleinergast)
Ich
bezeichne mich als Feministin und bin BDSMlerin.
Das
mag im ersten Moment einen Widerspruch darstellen, im zweiten schon
nicht mehr so sehr. Ich schreibe diesen Text, weil es umstritten ist,
dass Frau sich als Feministin für BDSM begeistert. Als Hauptargument
dagegen wird angeführt, dass BDSM die Reproduktion von
Herrschaftsverhältnissen sei und so Feminismus widerspreche.
Ich
möchte versuchen, euch zu erklären, wie die Szene mit diesem
Konflikt umgeht und warum ich trotzdem der Meinung bin, dass es
keinen Widerspruch darstellt, Feministin zu sein und BDSM zu
praktizieren. Ich möchte euch erklären, was BDSM für mich ist.
WAS
BEDEUTET BDSM?
BDSM
steht für Bondage & Discipline (Disziplin & Fesselung)
Dominance & Submission (Dominanz & Submissivität) Sadism &
Masochism (Sadismus & Masochismus). Bondage ist die häufig sehr
kunstvoll ausgeführte Spielart, Menschen unbeweglich zu machen.
Discipline ist Gehorsam im weiteren Sinne. Dominance und Submission
sind quasi Herrschaft und Unterwerfung. Hier kommt auch “Domina*us”
und “Sub” als Bezeichnung von Herrschender*m und sich
Unterwerfende*m her. Um das zu verdeutlichen, wird Domina*us häufig
groß geschrieben, sub hingegen klein.
Sadismus
und Masochismus stehen für die Lust daran, Schmerzen zuzufügen
beziehungsweise zu empfangen. Dabei ist es in der Regel nicht
erregend, sich aus Versehen zu stoßen, denn eine Tür oder einen
Schrank erotisiere ich nicht. Außerdem spreche ich bei BDSM
ausdrücklich nur über einvernehmliches Handeln. Alles andere ist
strafrechtlich relevante Gewalt.
In
der Szene gibt es fast kein binäres “Ich bin Sub” und “Du bist
Dom” (die Kurzform von Domina*us). In der Regel tendieren Menschen
zu einer Seite, das heißt, sie sind entweder subbig oder dommig. Es
gibt aber auch alles dazwischen. Das sind die so genannten
Switcher*innen – also Wechsler*innen – jemand, der*die sowohl
anteilig Dom als auch Sub ist, wobei die Gewichtung der Anteile sehr
unterschiedlich und auch schwankend sein kann.
Für
mich ist die Rolle, die ich einnehme, davon abhängig, wer mein
Gegenüber ist. Menschen, die mit dem selben Gegenüber beide Rollen
einnehmen können und sich so beim Spielen abwechseln könnten, habe
ich bisher selten getroffen.
BDSM
zu praktizieren wird in der Szene als “spielen” bezeichnet. Diese
Bezeichnung ist aber auch umstritten, denn es gibt viele Arten, BDSM
auszuleben. Was die einen nur im Bett ausleben, reicht für andere
tiefer in den Alltag, weswegen sie den Begriff “spielen” als zu
banal ansehen.
Wie
BDSM ausgelebt wird, variiert von “nur im Kopf” bis hin zu einem
24 Stunden / sieben Tage die Woche gespielten Machtgefälle. Genauso
verhält es sich mit enthaltenem oder nicht enthaltenem Sex: Manche
spielen nie ohne ihn, manche ausschließlich ohne und auch dazwischen
ist alles möglich. Grundsätzlich gibt es beim BDSM alle möglichen
Variationen. Wenn ihr euch also gerade fragt: “Gibt es…?”, dann
ist die Antwort definitiv “Ja”. Ihr seid auch nicht die einzigen,
die gerade in diese Richtung gedacht haben, wette ich.
WAS
IST DIESES “SPIELEN”?
Wenn
ich spiele, wird viel darüber geredet was ich und meine
Spielpartner*innen wollen und denken. Wir sprechen darüber, was uns
Lust verschafft, was gar nicht geht. Das umfasst sowohl Wörter, die
nicht fallen sollen, als auch Taten und Szenen. Wir reden darüber,
wie es uns gerade geht. Wichtige Fragen dabei: Haben wir ausreichend
getrunken und geschlafen? Haben wir irgendwelche Schmerzen,
Einschränkungen, Probleme, Stress etc.? Geht es uns gerade
körperlich und mental gut? Welche gegenseitigen Erwartungen gibt es?
Ganz wichtig ist in diesem Moment, dass wir ein Safeword vereinbaren.
Meines ist häufig “Tannenbaum”, weil es ein Wort ist, was im
Kontext des Spielens eher nicht benutzt wird.
Wird
das Safeword ausgesprochen oder ersatzweise eine ausgemachte Geste
oder Handlung (z.B. das Fallenlassen eines Gegenstandes, eine Schelle
z.B. eignet sich gut, aber eigentlich ist alles gut, was sicher
machbar ist in der Situation) gemacht, ist das Spiel sofort ohne
Nachfragen, Vorwürfe, Rechtfertigung oder Verzögerung zu Ende. Es
gibt noch diverse andere Möglichkeiten “außerhalb des Spiels”
und abgesehen vom Safeword miteinander zu kommunizieren. Möglich ist
zum Beispiel einen Farbcode von Worten zu verwenden: Grün – alles
ist super, ich fühle mich wohl, Gelb – ich halte es aus, aber es
ist nah an meiner Grenze, Rot – meine Grenze ist erreicht, mach
bitte etwas Pause oder fahre die Intensität runter.
Das
Safeword ist sowohl von Doms als auch Subs benutzbar, der Farbcode
auch. Ich finde den Farbcode deswegen so praktisch, weil es mit ihm
nur ganz kurze Momente sind, in denen ich aus dem Spiel heraus muss
und dieses dadurch nicht signifikant gestört oder unterbrochen wird.
Der
Konsens innerhalb der Szene ist, dass “ssc” gespielt wird, also
safe-sane-consensual, was soviel heißt wie sicherheitsbewusst-mit
gesundem Menschenverstand-einvernehmlich.
Wie
und wo ein Spiel anfängt, ist ganz unterschiedlich. Ich war schon
auf Play Parties, wo Menschen sich häufig in extra dafür
hergerichteten Räumen treffen, um vor allen oder einigen anderen
miteinander zu spielen, aber auch, um Gleichgesinnte zu treffen, sich
auszutauschen, Sex zu haben und sich “normal” zu fühlen.
Außerdem habe ich bei einem SM-LARP mitgemacht (also ein Live
Rollenspiel, auf dem auch gespielt werden darf), war zu Hause im Bett
und an vielen anderen Orten.
Wichtig
ist, möglichst so zu spielen, dass keine Unbeteiligten Zeug*innen
werden, denn sonst kann es es zu Missverständnissen kommen, die in
ungewollten Polizeieinsätzen und im schlimmsten Fall zu
(Re-)Traumatisierung von Menschen führen, die mit dem Spiel nichts
zu tun haben.
Um
das Spielen ausschließlich zwischen den Beteiligten und “nach
außen” subtil zu halten, gibt es verschiedene Möglichkeiten.
Ich
traf nach einiger Zeit des gemeinsamen Spiels mit einer
Spielpartnerin die Vereinbarung, dass sie, wenn sie als Sub Lust
darauf hat, in ein Machtgefälle zu gehen, den Ring der O trägt –
ein Erkennungszeichen für Eingeweihte. Das hat es ihr ermöglicht,
mir ihre Wünsche zu signalisieren, ohne mich unter Druck zu setzen
und ohne mir die Macht über die Situation zu nehmen. Ich konnte also
ein konsensuales Machtgefälle aufbauen oder auch nicht. Ich konnte
entscheiden, ob ich sie gerade als meine Sub wollte und ob ich
wollte, dass sie dient, frei nach dem Motto: “Eine Masochistin
bittet eine Sadistin: ‘Bitte schlag’ mich’, die Sadistin
antwortet: ‘Nein’ und lächelt fies.”
Mit
einem Top (ein anderes Wort für Dom) hatte ich die Absprache, dass
ich immer bitten muss, wenn ich rauchen möchte. Innerhalb der
geschützten Wohnung war das auf die Knie gehen, die Arme hinter den
Rücken nehmen und mit gesenktem Kopf bitten. Außerhalb der Wohnung
war es nur ein Blick, bei dem ich die Arme hinter dem Rücken hatte.
Eine Geste, die außer uns niemand mitbekommen hat. Die Vielfalt der
Möglichkeiten, zu spielen, ohne dass jemand das Machtgefälle
bemerkt, sind enorm. Und die Varianten, BDSM auszuleben, sind weit
mehr als schlagen und geschlagen werden.
Eine
Situation auf einem SM-LARP hat mich besonders stark geprägt. Ich
war noch relativ neu in der BDSM-Szene, so 19 ungefähr und das erste
Mal auf dieser Art von Veranstaltung. Innerhalb der im Rollenspiel
erzählten Geschichte geriet ich in Gefangenschaft. Außerhalb der
Geschichte und außerhalb meiner Rolle im Spiel wurde mir die Frage
gestellt: “Folter ausspielen oder nicht?”. Ich war neugierig,
kannte einen der Beteiligten und vertraute ihm, also stimmte ich zu.
Was folgte, war fast gar kein körperlicher Schmerz, sondern fast nur
MindFuck, nur um das “was würde passieren, wenn”. Wir waren ca.
vier Stunden im Folterkeller, aber es kam mir vor wie zehn Minuten.
Meistens
habe ich auch während des Spiels die “Welt draußen”, die
Probleme und fast den gesamten Alltag im Kopf – das war auch bei
diesem Spiel so. Meine Partner*innen schafften es aber, dass ich mich
in diesem Moment fallen lassen konnte. Ich war nur noch diese Drow
(eine Dunkelelfe), die gefangen genommen worden war und die Fragen,
die ihr gestellt wurde, nicht beantworten konnte. Das wussten meine
Spielpartner*innen aber nicht, was es mir leicht machte, der “Folter”
nicht nachzugeben. Hätte ich die Antwort auf ihre Fragen gehabt,
hätte ich sie ihnen gesagt.
Das
Besondere an dieser Situation war sicherlich, dass ich durch den
Rollenspiel-Kontext ohnehin sehr in die Figur eingetaucht war, die
ich spielte, und so ihre Handlungen von meiner Person fern halten
konnte. Was passierte, betraf die Figur, die ich spielte und konnte
keinen Konflikt mit meinen Ansichten im Alltag auslösen. Diese
vollkommene Abschottung des Geschehens von mir gelang mit zum großen
Teil auch wegen meiner großartigen Spielpartner*innen.
WIE
ES ZUM KNIRSCHEN KAM
Im
Laufe der letzten sieben Jahre bin ich politischer und feministischer
geworden, auch wenn ich nie wirklich unpolitisch war. Meine Mutter
hat mich und meine Geschwister alleine erzogen, sie hat gearbeitet,
war politisch aktiv und hat immer versucht, uns zu möglichst
reflektierten Menschen zu machen. Ich habe in meiner Schulzeit selten
erlebt, dass ich persönlich aufgrund meines Geschlechts
diskriminiert wurde. Wenn es passierte, habe ich es häufig nicht
wahrgenommen oder verdrängt. So richtig bewusst geworden ist mir das
erst während meines Studiums.
2012
landete ich bei der Orga eines Christopher Street Days, wo ich mit
zwei großartigen Menschen etwas auf die Beine stellte. Innerhalb der
Themenwoche zum Tag gab es einen Workshop zum Thema “BDSM und
Feminismus”. Dort wurde das Knirschen, das ich im Laufe der Jahre
seit meinem oben beschriebenen Erlebnis immer mal wieder gespürt
hatte, in Worte gefasst. Das erste Mal erfuhr ich, dass sich außer
mir noch andere Menschen Gedanken darüber machen, dass BDSM
Rollenbilder reproduziert, Feminismus und BDSM mitunter nicht
vereinbar scheinen und dass beides trotzdem nicht konträr sein muss.
Das war großartig.
Mit
Knirschen meine ich, dass mein Kopf irgendwann anfing daran zu
zweifeln, ob es richtig ist, geschlagen werden zu wollen. Dienen.
Knien. Schlagen. Über jemandem stehen. Macht. Ohnmacht. Die
Vorstellung, ein anderes Leben zu bestimmen oder selbst fremdbestimmt
zu sein, widerspricht dem, was ich für mich und andere Menschen
möchte. Vor niemandem möchte ich im “echten” Leben knien und
niemanden möchte ich im “echten Leben” verletzen. Trotzdem hat
es sich immer noch richtig und gut angefühlt, das im Spiel zu tun.
Die Hingabe anderer zu spüren, sich selbst hinzugeben, Schmerz und
Lust, das alles fühlte sich einfach gut an.
Dieser
Zustand in meinem Kopf fühlt sich eben an wie Knirschen – wie Sand
zwischen Zahnrädern.
Mein
innerer Konflikt dazu wurde immer ausgeprägter, fast noch
ausgeprägter als der Konflikt BDSM vs. Kindererziehung, der unter
dem Schlagwort “Ich kann doch niemanden schlagen, das macht man
doch nicht” abläuft.
Den
Konflikt zwischen meinem Selbstbild als emanzipierter Frau und dem
Verlangen danach, zu dienen und zu gehorchen, hatte ich schon vorher
einmal. Damals stieß ich auf der Suche nach Infos auf die SMJG, die
BDSM Jugend (ein gemeinnütziger Verein, der aufklären und Menschen
bis 27 eine Anlaufstelle bieten möchte). Zu wissen, dass ich nicht
alleine bin, beruhigte mich. Inzwischen bin ich der Meinung, dass der
Gedanke, dass es mir nicht alleine so geht, nicht das einzige
Argument dafür sein kann, warum das, was ich empfinde, in Ordnung
ist.
Heute
sehe ich es so:
BDSM
basiert darauf, freiwillig Macht abzugeben und anzunehmen. Es wird
ein widerrufbares Ungleichgewicht geschaffen. Eine Seite hat mehr
Macht als die andere, aber auch mehr Verantwortung. Das ist ein Part
des BDSM, den ich nicht missen möchte. Sich fallen lassen dürfen,
nicht entscheiden müssen auf der einen Seite und auf der anderen
Seite auffangen, entscheiden, führen, sorgen. Für eine*n Sub
bedeutet das, zeit- und stückweise Verantwortung abzugeben und für
den*die Dom, die zugestandene Verantwortung zu übernehmen. Für
beide beinhaltet es, Vertrauen, Selbstwahrnehmung und eigene und
fremde Grenzen zu erkennen, kennenzulernen, zu kommunizieren und zu
achten.
UND
TROTZDEM BLEIBT EIN ZWEIFEL
Für
mich dreht sich alles um das “freiwillig”, wobei auch das
schwierig sein kann. Wie frei kann ich tatsächlich entscheiden, wenn
ich emotional abhängig bin? Wie frei ist die Entscheidung, wenn ich
etwas mache, weil ich denke, ein*e Sub, ein*e Domina*us müsse das so
machen und aushalten? Und wie frei bin ich tatsächlich von
(Szene-)Konventionen? Was mache ich, wenn Menschen vorgeben sich klar
zu machen, was da auch an Rollenreproduktion passiert, aber
eigentlich das alles nur sagen, damit sie Menschen tatsächlich
abhängig machen und ausnutzen können? Ist BDSM nicht auch
Reproduktion der herrschenden Verhältnisse? Bestätige ich
gesellschaftliche Machtstrukturen nicht doch, auch wenn ich noch so
reflektiert mit ihnen umgehe? Was ist mit anderen
Beziehungskostellationen als Dom=männlich und Sub=weiblich, ist das
dann vollumfänglich in Ordnung, weil es das Patriachat nicht
wiederspiegelt? Und was ist mit der Verantwortung für die Menschen,
die ich aus Versehen involviere, weil sie Dinge mitbekommen, die sie
nie wissen wollten? Was ist mit nach außen getragenen Symbolen, dem
Halsband zum Beispiel?
Das
alles macht das Knirschen für mich aus. Dazu kommt ganz viel
Nachdenken, Reflektieren, Zweifeln. Zusammengefasst lässt es sich so
ausdrücken:
Das
Spielen fühlt sich richtig an, aber von außen betrachtet sieht es
komisch aus.
Konsequenz
für mich: Ich darf Unbeteiligte niemals hineinziehen, denn die
Botschaft, die manche Bilder des BDSM transportieren, kann fatal
sein. Wenn ich mir ansehe, wie eine junge Frau auf Knien von einem
möglicherweise älteren, stehenden Mann geschlagen und gedemütigt
wird, ist nach außen unklar, dass dieses Machtgefälle nicht
permanent besteht sowie freiwillig und absichtlich gewählt ist.
Und
da geht es schon weiter: Kann ich, wenn ich “da draußen” bin
mein Halsband tragen?
WIE
ICH DEM KNIRSCHEN ENTGEGENTRETE: DIE INNENSICHT
Ich
begegne einem*r Partner*in auf Augenhöhe, um dann bewusst Macht
abgeben oder annehmen zu können. Wenn der vorherige Gleichstand in
Sachen Macht nicht vorhanden ist, kann ich gar nicht erst anfangen zu
spielen. Das ist mein Punkt. Es gibt auch andere Konstellationen,
aber ich kann nur so spielen. Ich gehe also immer sehr bewusst
zusammen mit meiner*m Spielpartner*in in Spielsituationen und
versuche durch Reden und “Vor- und Nachsorge” (in den Arm nehmen,
noch mehr reden, gemeinsam reflektieren etc.) [körperliche Nachsorge
(Achtung, teilweise sehr explizite Benennung von Praktiken),
emotionale Nachsorge] nach dem Spiel immer wieder den Gleichstand
herzustellen, auch um der Gefahr entgegen zu wirken, dass sich im
Alltag ein Ungleichgewicht “einschleicht”.
Tatsächlich
ist das Spiel vom “echten Leben” in meinem Fall weit entfernt.
Selbst wenn jemand, der*die selbst in der Szene ist, außerhalb eines
Spiels auf die Idee kommen würde, mich wie im Spiel zu behandeln,
wäre diese Person die längste Zeit mein*e Spielpartner*in gewesen
und ich würde sie nicht mehr in meinem Leben dulden.
Für
mich hat das bewusste Spiel mit Hierarchie und Machtgefälle etwas,
das mir Macht gibt. Ich fühle mich empowert und stark, wenn ich
freiwillig geschlagen werde und wenn ich freiwillig gefesselt bin.
Ich fühle mich frei. Ich weiß, dass ich das Spiel jederzeit beenden
kann, auf die “echte” Ebene zurück kann, ganz egal auf welcher
Seite der Macht ich mich befinde. Nicht zu vergessen: Es befriedigt
meine Lust. BDSM bedeutet, mir zu holen, was ich möchte. Als Sub,
als Dom, als Switcher*in.
Das
ist die Innensicht.
AUSSENHERUM
BDSM
ist Teil der Realität, in der wir uns alle bewegen. Zu sagen, es
würde in einer anderen Welt stattfinden, wäre Quatsch. Menschen
betreiben BDSM teilweise im Verborgenen, teilweise so, dass zumindest
die unmittelbaren Bezugspersonen davon wissen, und teilweise auch
sehr öffentlich. Als Teil dieser Gesellschaft hat auch die „Szene“
mit allen Problemen zu kämpfen, die die „echte” Gesellschaft
hat: Sexismus, patriarchale Strukturen und überhaupt alles, was wir
daran kritisieren.
Ein
gif, mit abwechelnd in unterschiedlichen Farben blinkendem
Hintergrund aus Glitzer, auf dem in schwarzer Handschrift "smash
the patriarchy" steht. Die Schrift wackelt und tanzt.
Die
Strukturen und Sicherungsmechanismen (Safeword etc.) innerhalb der
Szene sind je nach Gruppe, in der mensch sich bewegt, unterschiedlich
ausgeprägt. Die Awareness im Bezug auf Machtstrukturen ist ebenso
unterschiedlich. Ich kenne Gruppen und Stammtische innerhalb der
Szene, z.B. die SMJG, die überall zumindest versuchen, sensibel zu
sein.
Sie
versuchen, dort, wo Machtstrukturen gefährlich oder auch ungewollt
sind, aufzuklären und bei Bedarf einzugreifen. Andere Stammtische
thematisieren die Gefahr von Machtstrukturen, während es
gleichzeitig Treffen gibt, auf denen typische “Macker” mit keiner
Frau reden, weil diese “doch eh alle Subs sind und nicht wert, dass
mit ihnen geredet wird” – was so daneben wie hier milde
wiedergegeben ist.
Gut
an der Szene finde ich, dass Schutzmechanismen vorhanden sind,
beispielsweise, was Safewords angeht. Andere Lebensbereiche bedienen
sich ähnlicher Mittel, beispielsweise wenn ich im privaten Gespräch
bitte, das Thema zu wechseln. Das ist schön, nützt aber weniger als
das Safeword. Ein Safeword bringt mich nicht in die Situation, eine
Bitte stellen zu müssen. Manchmal wünsche ich mir diese Kultur,
ohne Diskussion eine Situation ändern / beenden zu können, auch
außerhalb der Szene. Gleichzeitig weiß ich: Ein Safeword oder auch
der Farbcode ist eine Variante von Schutz, die nur funktioniert,
solange Menschen sich ihrer selbst in dem Moment bewusst sind und
auch wissen, dass es ihnen in dem Moment zu viel ist und natürlich
auch von allen Beteiligten geachtet wird.
Wie
viel über das Knirschen nachgedacht wird, hängt davon ab, wo
innerhalb der Szene mensch sich bewegt, ähnlich dem, wo innerhalb
der Gesellschaft mensch sich bewegt.
Ich
habe die Erfahrung gemacht, dass meine Spielpartner*innen und ich
immer sehr viel darüber geredet haben, was wir empfinden, wer wir
sind, was bestimmte Situationen in uns auslösen. Gerade wenn ein
Spiel schief geht, rede ich danach sehr viel, versuche
herauszufinden, warum ich oder mein*e Spielpartner*in in diesem
Moment “abgestürzt” ist, was Auslöser war, was ich dafür tun
kann, dass das nicht noch einmal passiert. Auch wenn das Safeword
benutzt wurde, spreche ich mit zeitlichem Abstand und wenn der*die
Betroffene das möchte, darüber. Ich versuche (und erlebe es in
meinem Umfeld auch so), mich aus Schutz für mich und für meine*n
Spielpartner*in selbst gut kennenzulernen. Ich kann sagen, was ich
möchte, was mir gut tut und wo meine Grenzen sind. Wenn mir das
nicht bewusst wäre, würde ich kein BDSM praktizieren. Ich habe
gelernt, das auch zu sagen. Reden ist, was Sex angeht, für mich
dadurch normal geworden.
Im
Bereich des BDSM, in dem es um Kontrollieren / Herrschen und
Unterordnen / Dienen geht (D/S), sehe ich die Gefahr, dass sich
Machtunterschiede unbewusst weiter einschleichen, als sie ohnehin
schon durch Privilegien vorhanden sind. Durch ständiges bewusstes
Einüben im Spiel können unbewusste Verhaltensweisen normalisiert
werden. Das lässt sich positiv nutzen, zum Beispiel, wenn mensch mit
machtvollen Frauenfiguren spielt und dabei so selbstverständlich
wird, dass Frauen Macht innehaben können und Männer die
Unterlegenen sein können.
Ich
sprach bereits vom Bild der knienden jungen Frau und dem stehenden
älteren Mann. Was, wenn dieses Bild mein Kink ist, ich aber
außerhalb einer Session niemals so knien möchte, sondern das
dargestellte patriarchale Bild ablehne? Ich sehe die Gefahr, dass ich
diese Struktur reproduziere. Hier ist es dringend notwendig, noch
viel mehr Aufklärung über Machtstrukturen und
Reproduktionmechanismen sowie Selbstreflektion innerhalb der Szene
und der ganzen Gesellschaft zu betreiben, denn die Gefahr Stereotype
zu reproduzieren, ist enorm. Dieses Zitat von Min beschreibt das ganz
gut:
„BDSM
spielt mit den Herrschaftsverhältnissen und reproduziert sie zwar,
allerdings in einem Rahmen, welcher, nach vollkommen eigenen Regeln
und Grenzen die Möglichkeit gibt, Verhältnisse zu brechen,
auszuleben und umzukehren.“
Was
mir persönlich sehr geholfen hat, ist, dass es sehr viele Spielarten
von sexuellen Reizen in der Szene gibt. Viele Menschen dort wissen,
dass meine Kinks einzigartig sein können. Ich stehe nun mal nicht
auf Wollklamotten, sondern finde Leder besser. Spiele mit Knebeln
sind so gar nicht meins, während mein*e Partner*in da vielleicht
total drauf steht. Ich habe innerhalb der Szene viele Menschen
getroffen, die ihre jeweils individuellen Beziehungsmodelle leben.
Die Bereitschaft, jeder*m die Freiheit zu geben, sich mit jeder*m,
die*der dazu bereit ist, auszuleben, ist groß, da fast alle das
Gefühl kennen, Dinge zu wollen, die irgendwie anders sind.
Ich
habe mehr als einen Menschen, den*die ich küsse, der*die mit mir
BDSM praktiziert und bei der*dem ich mich fallen lasse. Dieses
Beziehungskonzept ist es auch, das es mir ermöglicht, jede Fantasie,
die ich umsetzen möchte, mit einer Person, die den Gegenpart als
Kink hat, auszuleben. Ich kann Domina, Herrscherin, Dienerin,
Sadistin, Masochistin, Königin, Verbrecherin, Sünderin, Generalin,
Verliesaufseherin sein. Eben alles, was ich möchte.
Mich
empowert BDSM.
Dieser
Artikel wurde bereits am 25 April 2014 Anonym eingereicht, aber
dennoch, er ist und bleibt gut geschrieben.
Quelle
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Besser hätte man das nicht zusammenfassen und ausdrücken können, ich hoffe das viele dieser Beitrag erreicht, damit sie ein besseres Verständnis haben. Danke für die Veröffentlichung, Su
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